Medizin-Universität in Linz? – Nein

OÖ macht es nervös, dass trotz landeshauptmännlichem und ärztekämmerlichem Wunsch ihre MedUni Linz vom Wien keine Genehmigung kriegt.

Jetzt werden andere Register gezogen. Über eine Zeitung werden Unterschriften gesammelt. Natürlich wird nicht argumentiert, dass die MedUni dazu da sein soll, frisches Geld in die Spiäler zu spülen (Uni-Spitäler müssen vom Bund mit Millionen subventioniert werden), auch keine Erwähnung, dass die Ärztekammern mit ihrem Pensionssystem (Wohlfahrtsfonds) Probleme kriegen, wenn die Zahl der Ärzte, nicht, wie in den letzten Jahrzehnten, weiter um 900 [protected](Ärztebedarf Details)[/protected] pro Jahr wächst (was dazu führte, dass wir pro Kopf die meisten Ärzte der Welt haben), und auch der Prestigegewinn ist kein Thema; nein, die Bevölkerung muss anders mobilisiert werden: Unterversorgung wegen Ärztemangel. Das macht Angst, damit werden Menschen getrieben, ihre Unterschrift zu leisten, mit der man dann in „Wien“ Druck machen will.

Unterlegt wird alles mit Zahlen: So bräuchte es jährlich 1.600 [protected](Ärztebedarf Details)[/protected] Jungmediziner, um, wegen der Pensionierungswelle, einen Ärztemangel zu verhindern. Um das zu erreichen wären wenigstens 2.000 Studienplätze (fast doppelt so viele wie heute) nötig (die Studie ist übrigens online nicht mehr abrufbar). Und, man kann den Mangel schon spüren, weil Kassenstellen kaum nachzubesetzen und Turnusärzte schwer zu finden sind.

Bei den Zahlen reflektiert man meist auf eine Studie von Leo Chini, die im Auftrag der Ärztekammer gemacht wurde, um Perspektiven der Wohlfahrtsfonds zu erörtern. Als ernstzunehmende Arztbedarfsstudie, war sie nie gedacht.

Solche führt freilich das ÖBIG seit Jahrzehnten durch – und stets kam eine Ärzteschwemme heraus. Ein Beispiel: bereits 1995 wurde voraussagte, dass es wegen zu hoher Ausbildungskapazitäten zu einem Anschwellen des Wahlarztsektors kommen wird: Die Voraussage für 2006 betrug damals 11,300, geworden sind es 10.900 (!)

Übrigens hat jetzt auch die WHO in einer EU-weiten Studie festgestellt, dass nichts auf einen Mangel hindeute.

Wer sich selbst ein Bild machen will, soll offizielle Statistiken überdenken. In Spitälern oder mit Kassenvertrag arbeiten hierzulande etwa 33.000 Ärzte, in Deutschland etwa 320.000. Aber, bei uns kommen dann noch 12.000 Wahlärzte dazu, die es dort nicht gibt. Wir haben (relativ) also 25% mehr Ärzte als Deutschland – Wahlärzte.

Um das nicht argumentieren zu müssen, wird offiziell einfach angenommen, dass Wahlärzte höchstens zu 5% das System entlasten – was nichts anderes heißt, Wahlärzte sind für die Versorgung unwichtig; aber für die Arztbedarfsrechnung, die unbedingt einen Mangel ergeben muss, sind sie es schon.

Objektiv gibt es keinen Mangel und wird es keinen geben. Nichtsdestotrotz gibt es Mangelerscheinungen. Es wird wirklich schwieriger Kassenstellen nachzubesetzen und Turnusärzte zu finden. Aber das liegt nicht daran, dass es zu wenig Ärzte gäbe oder zu wenig Absolventen. Nein, es wird immer schwieriger, Ärzte zu finden, die bereit sind, für das öffentliche System zu arbeiten – einfach weil es, gerade für Jungärzte, zunehmend unattraktiv wird.

Kann man solche Mangelerscheinungen mit mehr Absolventen lösen? Natürlich nicht. Um diese Mängel zu beheben, müssen wir über die Ausbildungs- und Arbeitssituation, Anreizsysteme und Zukunftsperspektiven der Ärzte reden – nicht über mehr Studenten; die würden die Situation nur verschlimmern.

Und trotzdem, jetzt, wo das Land die sicher nicht ausreichend aufgeklärte Bevölkerung mit Angstargumenten mobilisiert, kann garantiert werden, dass knapp vor der nächsten Wahl der Bund in die Knie geht und Linz sein Uni kriegt.

(ebenfalls in leicht geänderter Form in „Wiener Zeitung“ veröffentlicht)

Turnusärzte – das Leiden geht weiter!

Ein drohender Ärztemangel ist ein hervorragendes Thema um Interessen durchzusetzen – hoffentlich fallen nicht alle darauf rein.

Die Linzer wünschen sich dringend eine eigene Med-Uni, denn ein Ärztemangel droht, der nur mit einer solchen zu beheben ist. Und anhand einiger Indikatoren meint man den Mangel zu sehen. Kassenstellen sind immer schwerer nachzubesetzen und selbst in Spitälern wird es schwerer, Ärzte zu finden – vor allem in kleinen Landspitälern. Alles deutet auf eine Mangel hin, der größer werden soll, weil eine Pensionierungswelle durch den Kassenbereich gehen wird. Doch ist der Mangel real?

Beginnen wir mit den OECD-Zahlen. Dort liegen wir, was die Zahl der Ärzte betrifft, an sechster Stelle (von 31) und haben sieben Prozent mehr (!) Ärzte als Deutschland, das Mangelerscheinungen hat. Genauer geschaut, rechnen die Deutschen (OECD-konform) auch ihre Ärzte in Ausbildung mit, die wir weglassen. Zählt man die dazu, haben wir 30 (!) Prozent mehr Ärzte als die Deutschen – und trotzdem einen Mangel?

Natürlich nicht, im Gegenteil, eine Schwemme. Nur: Unsere Ärzte wollen immer weniger im System arbeiten und suchen (freiwillig?), sich außerhalb zu verwirklichen – als Wahlärzte!

Bei den Hausärzten drohe der größte Mangel, sagt man. Und das stimmt, aber nicht weil wir zu wenige Ärzte haben. Dass sich Turnusärzte am Ende der heutigen Ausbildung nicht trauen, Kassenhausärzte zu werden, ist verständlich. Überall hat man erkannt, dass der Hausarzt als Facharzt ausgebildet werden muss; es reicht keinesfalls, ihn im Spital Blut abnehmen und Spritzen geben zu lassen. Doch gibt es hierzulande so einen Facharzt? Nein. Glaubt man Gerüchten, dann ist sogar die Arbeitsgruppe, die seit Jahren tagt um diesen einzuführen, vertagt. Und warum? Weil die Länder billige Turnusärzte brauchen, um die vielen unnötigen Spitäler betreiben zu können. Würden Turnusärzte zum Facharzt ausgebildet, dann gäbe es viel weniger als heute. Die Länder wären gezwungen, Ärzte zu höheren Gehältern fix aufzunehmen – was sie sich nicht leisten wollen.

Kommen wir zu Pensionierungswelle. Seit 1995 ist die Zahl der Kassenärzte (obwohl die Arbeit mehr wurde) gleich geblieben. Und weil davor die Zahl gestiegen ist, kommt es jetzt zu einer scheinbar mangeltreibenden Pensionierungswelle. Da aber in der gleichen Zeit kontinuierlich etwa 900 Ärzte jährlich zu arbeiten begonnen haben, gibt es genügend Ärzte –

nur eben nicht Kassenärzte, weil es keine Stellen gab. Und so stehen den etwa 8.000 Kassenstellen aktuell 10.000 Wahlärzte gegenüber, die, wenn es attraktiv genug wäre, auch wieder ins Kassensystem zurückkehren.

Also warum wird der Ärztemangel beschworen?

Da sind einerseits die Ärztekammer und deren eigenes Pensionssystem. Analog dem öffentlichen wurde es auf einem Generationenvertrag errichtet, das nur funktioniert, wenn die „Alterspyramide“ eine Pyramide bleibt, also immer mehr Ärzte hinten nachkommen – bis quasi alle Österreicher Ärzte sind. Passiert das nicht, dann wird es schmerzhafte Einschnitte bei den Ärzte-Pensionen geben müssen – das gilt es zu verhindern.

Die zweite Interessenslage betrifft die nun auftretenden Finanzierungsschwierigkeiten in Oberösterreich. Die (rote) Stadt Linz braucht Geld, um ihr Prestige-Spital zu finanzieren. Das (schwarze) Land will dieses Geld nicht hergeben. Ergo braucht es neue Quellen – den Bund. Hätte nämlich Linz eine Med-Uni, dann müsste der Bund die Spitäler mitfinanzieren – und das Problem wäre gelöst!

An die Turnusärzte und deren Zukunft denkt dabei keiner.

Dieser Artikel wurde im März 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Arme Universitäten – ehrlich!

Über die fortschreitende Aushöhlung der medizinischen Universitäten durch immer mehr Patienten – zum Wohle der Länder, zum Weh von Österreich!

Wer in Wien, Graz oder Innsbruck lebt, geht, wenn er ein Spital braucht, gerne in die Universitätskliniken. Dort, so der landläufige Verdacht, wird wirklich Spitzenmedizin betrieben. Kaum jemand weiß allerdings um die komplizierten Verhältnisse, die darin herrschen.

Die Spitäler Steiermarks, Tirols und Wiens – die drei Bundesländer mit öffentlichen medizinischen Universitäten – kosten zusammen etwa fünf Milliarden Euro pro Jahr. 450 Millionen davon werden allerdings nicht durch die Länder bezahlt, sondern von den Universitäten selbst, die dafür vom Bund Geld kriegen. Das Bundesgeld – und es ist im internationalen Vergleich sehr viel – soll dazu dienen, die „Mehr“-Kosten, die durch Forschung und Ausbildung von Medizinstudenten entstehen, abzugelten.

Wie in jedem Spital, arbeiten auch in Uni-Kliniken Ärzte, Pflege-, Verwaltungspersonal etc. Allerdings, die Ärzte stehen auf dem Lohnzettel der Universität, alle anderen auf dem des „gastgebenden“ Landes. Die Sachkosten teilen sich auch beide. Und zwar zahlt das Land etwa 80 Prozent, den Rest die Uni. Seit vielen Jahrzehnten gibt es um diese Aufteilung Streitereien.

Seit einigen Jahren, was wohl nicht zufällig mit den größer werdenden Finanzproblemen der Länder zusammenhängt, werden immer mehr Patienten durch die Uni-Kliniken „geschleust“. Pro Arzt und Jahr werden mittlerweile ca. 180 stationäre Patienten behandelt (Graz: 130, Innsbruck: 210, Wien: 175). Zum Vergleich, in den größten Spitälern, die keine Universität sind, sind es 235.

Nun, das schaut auf den ersten Blick doch so aus, als ob die Unis über Reserven für Forschung und Lehre verfügen. Aber ist das so? Ein Blick in Nachbarländer bringt Klarheit. In der Schweiz werden pro Arzt 96, in Deutschland gar nur 60 Patienten behandelt. Da bleibt Zeit für international herzeigbare Forschung und qualitativ hochstehende Studenten- Ausbildung – die eigentlichen Aufgaben der Universitäten. Bei uns wird diese Zeit wohl knapp, insbesondere in der Forschung. Kein Wunder also, dass immer weniger gute Forscher hier bleiben wollen!

Um diese Situation zu verbessern, ist es natürlich verlockend, gleich nach mehr Uni-Ärzten zu schreien. Doch an der Anzahl liegt es nicht. In der Schweiz gibt es pro 100.000 Einwohner 25,1, bei uns 25,6 Uni-Ärzte. Deutschland, das ein praxisorientiertes Ausbildungssystem hat (es gibt keinen Turnus, diese Ausbildungsschritte sind in das Studium integriert), verfügt über 32. Dass unsere Uni-Ärzte so viele Patienten behandeln, liegt also nicht an einer „Unterausstattung“, sondern schlicht an einer Überlastung mit „Routine-Fällen“, die an einer Uni eigentlich nichts zu suchen haben.

Verantwortlich dafür sind die Länder, die, zwar an Bundesgeldern und dem Prestige einer Uni, nicht aber an Forschung und Lehre interessiert sind. Und so werden diese einfach als „Routinehäuser“ eingeplant. Bei der lautstark geforderten Linzer MedUni vermute ich die gleichen Gründe.

Es ist zu vermuten, dass bei immer leereren Kassen die Routine weiter steigt. Allerdings verlieren wir damit Generationen an guten Wissenschaftlern. Denn warum soll ein junger Forscher (junge Uni-Ärzte verdienen einen Spot und haben nur befristete Verträge; lediglich alte Professoren verdienen gut und sind zudem „leistungsfördernd“ pragmatisiert) an der Uni bleiben, wenn er doch nur Routine macht? Mit der kann er außerhalb der Universitätsmauern mehr und sicherer Geld verdienen.

Dieser Artikel wurde im August 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Wer Köpfe zählt, der hat keine Ahnung

Nein, es müsste keinen Ärztemangel geben, wenn irgendwo ein solcher vorkommt, dann hat das nicht mit der Zahl der Ärzte zu tun, sondern mit Zynismus.

Was für ein Bild soll ein junger Mensch haben, wenn er hört, dass wir in einen Ärztemangel hineinschlittern? Soll er Medizin studieren, weil da krisensichere Jobs winken?

Bleiben wird bei den Fakten.

Anfang 2005 gab es 38.500 Ärzte, 2009 sind es schon 43.000. Also sind pro Jahr netto 900 Ärzte dazugekommen. In der gleichen Zeit wurden etwa 7.000 Ärzte mit dem Studium fertig. Zieht man die obigen 900 ab, haben 500 Ärzte pro Jahr entweder das Land verlassen oder aber frei werdende Stellen erhalten. Keine Rede von Mangel.

Von den 43.000 arbeiten 13.000 in Spitälern, dazu kommen noch 7.000 Turnusärzte, die darauf hoffen, später einen fixen Platz zu erhalten. 10.000 Ärzte haben einen Kassenvertrag. Also arbeiten 30.000 Ärzte im öffentlichen System, dass wenigstens 95 Prozent der Österreicher versorgt. Wo, fragt man sich, arbeitet der Rest; denn 13.000 haben im öffentlichen System keinen fixen Platz. Diese Ärzte verdingen sich als Wahlärzte, Vertretungsärzte, sitzen auf Karenzstellen oder fahren Notarztdienste. Keiner dieser Jobs ist sicher.

Warum soll plötzlich ein Mangel auftreten?

Ach ja, es wird argumentiert, dass demnächst so viele Ärzte in Pension gehen. Natürlich, wenn man sich nur jene anschaut, die im System sind, kann man den Eindruck haben. Aber wer schaut sich die 13.000 Ärzte an, die eben nicht im System sind? Wie alt sind die? Aber selbst bei den „System-Ärzten“ ist keine Gefahr in Verzug. Das Durchschnittsalter dieser Ärzte hat sich in den vergangen fünf Jahren gerade einmal um neun Monate erhöht. Und eine seriöse Berechnung hat ergeben, dass bis 2025 etwa 750 Ärzte pro Jahr in Pension gehen werden. Bis 2011 werden aber pro Jahr 1.600 Studenten fertig. Dann erst werden die Absolventen sinken – auf mindestens 1.1150, von denen wenigstens 850 aus Österreich kommen. Also selbst dann ist kein Mangel zu sehen. Bis zu dem Zeitpunkt ist die Zahl derer, die im System nicht unterkommen auf geschätzte 16.000 angeschwollen. Wollen wir auf diese einfach verzichten?

Noch ein Aspekt sollte einbezogen werden. Es gibt – was nicht bedeutet, dass es gut ist, nur dass es geht! – Gesundheitssysteme, die für die Versorgung von acht Mio. Einwohnern mit weniger als 20.000 Ärzten auskommen. Was passiert, wenn das Geld knapper wird und wir uns aus Kostengründen dorthin entwickeln? Werden dann noch mehr Ärzte im „Nichts“ verschwinden?

Nichts desto trotz gibt es zunehmend Mangelerscheinungen. Es wird immer schwieriger gerade in der Peripherie Ärzte zu finden, die bereit sind, für wenig Geld viel zu arbeiten. Zudem ist der Anteil der Frauen unter den Ärzten unter 35 Jahren bereits fast 70 Prozent. Diesen Frauen machen wir im System kein Angebot, Familie und Beruf zu vereinbaren.

Kann man solche Mangelerscheinungen mit noch mehr Uni-Absolventen lösen?

Natürlich nicht. Ob Absolventen, ausländische wie inländische, hier arbeiten wollen, hängt davon ab, welche Vision sie in Österreich haben. Und da scheitert das System furchtbar. Um diese Mängel zu beheben müssen wir über Anreizsysteme und Perspektiven reden – nicht über noch mehr Studenten.

PS: Bei der in Linz geforderten Universität dürfte es wohl eher darum gehen, für die Spitäler neue Geldquellen zu erschließen (bei Uni-Spitälern muss der Bund mitzahlen) und/oder den vielen unechten Professoren, die dort arbeiten, endlich die Chance zu geben, „Richtige“ zu werden. Um Patienten geht es meiner Meinung nicht.

Dieser Artikel wurde im April 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.